Michael Krautzberger Informationen für Studium und Praxis

In Memoriam

Trauerbrief, Michael Krautzberger, * 4. Juni 1943, † 2. Oktober 2021

Zum Stand des Baugesetzbuchs

Das BauGB ist wiederholt geändert worden – und mit ihm die BauNVO. So vor allem durch das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt“ vom 4. Mai ist am 13. Mai 2017 in Kraft getreten; BGBl. I S. 1057. Dieses Gesetz war vor allem durch die Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie 2014/52/EU veranlasst. Außerdem soll die Reform durch die Möglichkeiten einer städtebaulichen Nachverdichtung die Innenentwicklung stärken und das Zusammenleben in der Stadt zugleich am Nachhaltigkeitsgrundsatz ausrichten.

Das Baugesetzbuch (BauGB) wurde am 3. November 2017 neu bekannt gemacht (BGBl. I S. 3634) und ist zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728) geändert worden.

Durch Artikel 6 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587), das am 28. März 2020 in Kraft getreten ist, wurde ein neuer § 246b BauGB eingeführt. Im notwendigen Umfang und zeitlich befristet ermöglicht dieser Abweichungen von bauplanungsrechtlichen Vorgaben und Standards des Baugesetzbuchs. So kann einem möglichen akuten Bedarf an weiteren Räumlichkeiten für die Versorgung von Corona-infizierten oder möglicherweise infizierten Personen schnell Rechnung getragen werden.

Weiterhin ist durch Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude und zur Änderung weiterer Gesetze vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728) unter anderem § 249 Absatz 3 BauGB neu gefasst worden. Darin werden die Länder ermächtigt, landesgesetzliche Mindestabstände von höchstens 1.000 Metern für Windenergieanlagen zu im Landesgesetz näher bezeichneten baulichen Nutzungen zu Wohnzwecken einzuführen.

Bereits am 28. Mai 2020 ist zudem das Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) verkündet worden (BGBl. I S. 1041), welches u.a. auch auf das Baugesetzbuch Anwendung findet (§ 1 Nr. 4 PlanSiG). Mit dem Gesetz wurden zeitlich befristete Verfahrensänderungen etwa für die Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 BauGB) eingeführt. Sie sollen sicherstellen, dass die Bauleitplanung auch unter den erschwerten Bedingungen während der Corona-Pandemie ordnungsgemäß durchgeführt werden kann.

Aktuell gibt es drei laufende Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Städtebaurechts:

  • Gesetz zur Mobilisierung von Bauland; siehe hierzu den Aufsatz Krautzberger/Stüer
  • Gesetz zur Verbesserung des Tierwohls in Tierhaltungsanlagen
  • Novellierung des Wertermittlungsrechts

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt

Das BauGB ist erneut geändert worden – und mit ihm die BauNVO. Das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt“ vom 4. Mai ist am 13. Mai 2017 in Kraft getreten; BGBl. I S. 1057

Das Gesetz ist vor allem durch die Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie 2014/52/EU veranlasst. Außerdem soll die Reform durch die Möglichkeiten einer städtebaulichen Nachverdichtung die Innenentwicklung stärken und das Zusammenleben in der Stadt zugleich am Nachhaltigkeitsgrundsatz ausrichten.

Das gesetzgebungspolitische Motiv der laufenden Legislaturperiode für das Städtebaurecht könnte man nach dieser letzten Novelle vor den Wahlen eines neuen Deutschen Bundestages überschreiben: „Kein Jahr ohne eine Novelle“. Vom Hamburger Flüchtling (2014) über den bayerischen Wind (2015), die gesamtdeutsche Flüchtlingsfrage (2015) bis hin zur Umwelt-und Städtebaupolitik 2017: zu den vorhergehenden Städtebaurechtsnovellen vgl. Krautzberger/Stüer, Städtebaurecht 2004, BauR 2003, 1301; dies., Städtebaurecht 2004 – was hat sich geändert? DVBl 2004, 781; dies., Städtebaurecht 2004 – vom schlichten Wegwägen zum Grundsatz der nachhaltigen Trauerarbeit, DVBl 2014, 914; dies. BauGB: Stärkung der Innenentwicklung, DVBl 2007, 160; Battis/Krautzberger/Mitschang/Reidt, NVwZ 2011, 897; dies., Klimagerechte Stadtentwicklung in den Gemeinden, BauR 2011, 1416; dies., Rückbau- und Entsiegelungsgebot, BauR 2012, 874; dies., BauGB-Novelle 2013, DVBl 2013, 805; dies. Schrottimmobilien, ZfBR 2013, 529; dies., Viel Wind für weniger Windenergie? BauGB 2014, 1403; dies., Demografische Entwicklung, DVBl 2014, 1085; dies., BauGB-Novelle 2014 II, DVBl 2015, 73; dies., Flüchtlingsunterbringung, DVBl 2015, 1545; dies., Anm. zu BayVerfGH, Urt. v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 – DVBl 2016, 1259)[^1] Den „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt“ hat die Bundesregierung nach längeren Vorarbeiten – der Referentenentwurf datiert vom Juni 2016 - am 30.11.2016 auf Vorschlag des für den Städtebau innerhalb der Bundesregierung zuständigen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) beschlossen.

1. Anlass

1.1 Umsetzung UVP- ÄndRL 2014

Unmittelbarer Anlass für das Gesetz war die Umsetzung einer UVP-Richtlinie: Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.04.2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/ EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 124 vom 25.04.2014, S. 1 ff.). Die Änderungen betreffen u.a. die zu prüfenden Umweltfaktoren, die Vorprüfung des Einzelfalls, die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Erstellung des UVP-Berichts. Anpassungsbedarf im deutschen Recht bestand damit sowohl im allgemeinen Umweltrecht, hier insbesondere im UVPG, als auch im Baugesetzbuch (BauGB).

1.2 Seveso-III-RL

Die „Seveso-III-RL4 (Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates ABl. L 197/1 vom 24.07.2012, S. 1.) wird – durch ein Artikelgesetz und eine Artikelverordnung mit Änderungen vor allem im Immissionsschutzrecht umgesetzt. Flankierend hierzu wurden im BauGB Regelungen getroffen, die es – über den verpflichtenden Umsetzungsbedarf hinaus – ermöglichen, die Gefahren von Störfällen durch differenzierte Festsetzungen zu verringern.

1.3 Urbane Gebiete

In der Baunutzungsverordnung wurde die neue Baugebietskategorie „Urbane Gebiete (MU)“ eingeführt. An der Schnittstelle von Städtebaurecht und Immissionsschutzrecht soll den Kommunen hiermit zur Erleichterung des Bauens in stark verdichteten städtischen Gebieten mehr Flexibilität eingeräumt werden, ohne dabei das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau zu verlassen.

1.4 Nachverdichtung

Zur Erleichterung des Wohnungsbaus kann im nicht beplanten Innenbereich bei Nutzungsänderungen baulicher Anlagen zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens abgesehen werden.

Befristet bis zum 31.12.2019 sollen Bebauungspläne mit einer Grundfläche von weniger als 10.000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird und die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden können. Der Plan kann sich sowohl an nicht beplante Innenbereiche nach § 34 BauGB als auch im Bebauungsplan ausgewiesene Innenbereiche nach § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB anschließen.

1.5 Zweitwohnungen

Darüber hinaus wurden zur Behebung von Rechtsunsicherheiten und zur Ausweitung kommunaler Steuerungsmöglichkeiten Regelungen zu Ferienwohnungen und Nebenwohnungen (Zweitwohnungen) in das BauGB und in die Baunutzungsverordnung aufgenommen.

Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz 2015 – erneute Änderung des Baugesetzbuchs

1. Anlass und Zustandekommen

Das Baugesetzbuch ist erneut geändert worden; die Änderung trat am 24. Oktober 2015 in Kraft (BGBl. I S. 1722).

Erst am 27. November 2014 war eine Änderung des BauGB (Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ v. 20.11.2014, BGBl. I S. 1748) in Kraft getreten, die auf den Zustrom von Flüchtlingen und Asylbegehrenden mit bauplanungsrechtlichen Regelungen geantwortet hat mit dem Ziel, Planung und Zulässigkeit von Vorhaben der veränderten Situation anzupassen (hierzu Krautzberger, Neue städtebaurechtliche Regelungen für den Flüchtlingswohnungsbau, GuG 2015, S. 97). Mit der sich im Laufe des Jahres 2015 abzeichnenden massiven Zunahme der Flüchtlingszahlen begannen im August 2015 unter Federführung des Bundesministeriums des Innern (BMI) - unter Einbindung der Staatskanzleien und Innenressorts der Länder - ressortübergreifende Vorbereitungen für ein umfassendes „Asylpaket“. Von Anfang an sollten hierbei auch „bau- und vergaberechtliche Hemmnisse“ bei der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften, einschließlich des Bauplanungsrechts, in den Blick genommen werden. Am 18.9.2015 hat das Bau- und Umweltministerium (BMUB) einen Referentenentwurf - beschränkt auf den „BauGB-Artikel“ - Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zur Stellungnahme übersandt; der Gesamtentwurf des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes wurde vom BMI am 22.9.2015 versandt. Zugleich wurde der Entwurf in den Koalitionsfraktionen diskutiert. Am 25.9.2015 war das „Asylpaket“ Gegenstand des „Flüchtlingsgipfels“ des Bundeskabinetts mit den Ministerpräsidenten der Länder im Bundeskanzleramt. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf am 29.9.2015 beschlossen. In den Bundestag wurde der Entwurf indes nicht als Regierungs-, sondern zwecks Beschleunigung als Koalitionsentwurf, also „aus der Mitte des Bundestages“ (Art. 76 Abs. 1 GG), eingebracht (BT-Drs. 18/6185); andernfalls wäre nach Art. 76 Abs. 2 GG ein Erster Durchgang im Bundesrat erforderlich gewesen, dessen es nach dem „Flüchtlingsgipfel“ am 25.9.2015 politisch nicht mehr bedurfte. Die erste Beratung im Bundestag fand am 1.10.2015 statt. Es folgte – allerdings nicht speziell zu bauplanungsrechtlichen Themen – am 12.10.2015 eine öffentliche Anhörung im Bundestagsinnenausschuss. Die abschließenden Ausschussberatungen fanden am 14.10.2015 statt. Der Gesetzesbeschluss des Bundestages erfolgte am 15.10.2015. Der Bundesrat erteilte seine Zustimmung (der es bei isolierten BauGB-Änderungen nicht bedurft hätte) bereitseinen Tag danach, am 16.10.2015, so dass das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz am 24.10.2015 in Kraft treten konnte (BGBl. I S. 1722).

Grundlage der Neuregelungen war die Auswertung einer Vielzahl von Vorschlägen von Ländern und kommunalen Spitzenverbänden. Diese zeichneten sich durch eine sehr unterschiedliche Reichweite und Zielsetzung aus. Exemplarisch hierfür ist die Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen, der sich die Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen angeschlossen haben (BR-Drs. 404/15): In der Einleitung heißt es dort, dass die Bundesregierung gebeten werde, die „Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften des Bauplanungsrechts (…) für einen befristeten Zeitraum für Einrichtungen der Flüchtlingsunterbringung auszusetzen (Moratorium)“, im eigentlichen Antrag geht es dann (lediglich) um die Schaffung einer dem § 246 Abs. 10 BauGB vergleichbare Regelung für reine Wohngebiete. Die Bundesratsinitiative wurde aufgrund des Fortschritts des Gesetzgebungsverfahrens nicht weiter verfolgt; aus ihr wird jedoch erkennbar, dass es zweierlei Anliegen Rechnung zu tragen galt:

  • Teils gab es innerhalb der bestehenden bauplanungsrechtlichen Systematik Bedarf nach gezielten Erleichterungen, sei es in Bebauungsplangebieten, sei es im nicht beplanten Innenbereich, sei es im Außenbereich.
  • Teils bestand jenseits der Systematik des Bauplanungsrechts Bedarf nach Lockerungen.

Dem Vorschlag der Bundesregierung, dem sich der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates im Wesentlichen angeschlossen hat, liegt daher ein zweistufiges System zugrunde:

  • Innerhalb der bauplanungsrechtlichen Systematik werden für unterschiedliche Bedarfe gezielte Erleichterungen geschaffen.
  • Reichen die gezielten Erleichterungen nicht aus, sind weitgehende Abweichungen vom Bauplanungsrecht im erforderlichen Umfang möglich.

Ergänzt wird dies durch die Anordnung einer Rückbauverpflichtung für solche Vorhaben, die einen besonders starken Eingriff in die übliche Bauplanungsrechtssystematik darstellen. Zudem wurden einzelne Verfahrenserleichterungen geschaffen.

2. Die Neuregelungen im Überblick:

a) Umnutzung von Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäuden nach § 34 Abs. 3a BauGB (§ 246 Abs. 8)

Bis zum 31. Dezember 2019 kann im nicht beplanten Innenbereich vom Erfordernis des Einfügens bei der Nutzungsänderung aller zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, abgewichen werden. Über die bereits bislang in § 246 Abs. 8 2014 genannten Verwaltungs-, Büro- und Geschäftsgebäude hinaus, kann dies vor allem bei Schulen, sonstigen Bildungszwecken dienenden Gebäuden und Krankenhäusern in Betracht kommen, die sich freilich vielfach bereits nach allgemeinen Regeln einfügen können. Für den nicht beplanten Innenbereich wurde in damit die Möglichkeit, vom Erfordernis des Einfügens abzuweichen, nicht auf die Umnutzung von Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäuden beschränkt; vielmehr kann bei Nutzungsänderung sämtlicher zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Anlagen der Flüchtlingsunterbringung vom Erfordernis des Einfügens abgesehen werden.

b) Anlagen für soziale Zwecke in den einzelnen Baugebieten (§ 246 Abs. 11)

Um die Bedeutung des Belangs der Flüchtlingsunterbringung noch stärker zu betonen, gilt § 31 Absatz 1 BauGB bis zum 31. Dezember 2019 mit der Maßgabe, dass dort die Genehmigung in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 7 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Regel erteilt werden soll. Die Formulierung „sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende“ zielt – wie auch in § 246 Absatz 10 und den Folgeabsätzen – auf dezentrale, kommunale Einrichtungen

c) Ausnahmen und Befreiungen (§ 246 Abs. 12)

§ 246 Abs. 12 bestimmt: Bis zum 31.12.2019: Für die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung von – im Regelfall als Unterfall von sozialen Einrichtungen einzuordnenden – mobilen Unterkünften (insbesondere Wohncontainer und Zelte) oder die ebenfalls auf drei Jahre zu befristende Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 BauNVO (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2 BauGB) in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende ist bis zum 31. Dezember 2019 eine Befreiung auch dann möglich, wenn die Grundzüge der Planung berührt werden. Behelfsunterkünfte können damit z. B. auch auf festgesetzten Gemeinbedarfsflächen (etwa Parkplätzen) genehmigt werden. Die Regelung findet auch in reinen Wohngebieten, Gewerbegebieten und Industriegebieten Anwendung.

Die Abweichung muss auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar sein. Insoweit wird zu beachten sein, dass angesichts der nationalen und drängenden Aufgabe bei der Flüchtlingsunterbringung Nachbarn vorübergehend auch ein Mehr an Beeinträchtigungen zuzumuten ist.

d) Außenbereich (§ 246 Abs. 13)

Im Außenbereich (§ 35) gilt unbeschadet des Absatzes 9 bis zum 31.12.2019 die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend für 1. die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, 2. die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende, einschließlich einer erforderlichen Erneuerung oder Erweiterung. Für Vorhaben nach Satz 1 gilt § 35 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 entsprechend.

Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden. im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln.

Die Rückbauverpflichtung nach Satz 2 entfällt, wenn eine nach Satz 3 zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Absatz 1, 2 oder § 33 ergibt. Die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach Satz 2 in entsprechender Anwendung des § 35 Absatz 5 Satz 3 ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist.

Für die vorgenannten Vorhaben ist zudem § 35 Abs. 5 S. 2 und 3 BauGB und damit das Rückbaugebot für zeitlich „privilegierte“ Außenbereichsvorhaben nach Wegfall der Privilegierung entsprechend anzuwenden. Zuvor ausgeübte Nutzungen können in den Fällen der zwischenzeitlich vorgenommenen Nutzungsänderungen allerdings wieder aufgenommen werden. Eine ausdrücklich angeordnete Rückbauverpflichtung ist nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. Das wird wohl auch für die Kreise gelten.

e) Gemeindliches Einvernehmen nach § 36 (§ 246 Abs. 15)

Nach § 246 Abs. 15 gilt in Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, bis zum 31. Dezember 2019 das Einvernehmen der Gemeinde abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 BauGB (auch in Verbindung mit § 246 Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2 BauGB) als erteilt, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

f) Generalklausel analog § 37 BauGB (§ 246 Abs. 14)

In Anknüpfung an § 37 BauGB, der nach bisheriger Rechtslage auf Aufnahmeeinrichtungen der Länder Anwendung finden kann, wird in einem Sondertatbestand geregelt, dass für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftseinrichtungen oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum 31. Dezember 2019 von den Vorschriften des BauGB oder den aufgrund des BauGB erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden kann. Dies gilt auch, wenn die Einrichtung von einem Dritten (z. B. von Landkreisen oder Privaten) betrieben wird. Auch auf Einrichtungen, die aufgrund von Regelungen nach § 50 Absatz 2 des Asylgesetzes von einer Gemeinde (oder von einem Dritten, der von der Gemeinde beauftragt ist) im übertragenen Wirkungskreis betrieben werden, soll die Regelung Anwendung finden.

Diese Abweichungsbefugnis ist an die Voraussetzung gebunden, dass auch bei Anwendung von § 246 Absatz 8 bis 13 BauGB dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.

In Anlehnung an § 37 Absatz 2 Satz 2 BauGB tritt an die Stelle eines Einvernehmens die Anhörung der Gemeinde. Diese Anhörung tritt auch an die Stelle des nach § 14 Absatz 2 Satz 2 BauGB bei Ausnahmen von einer Veränderungssperre üblichen Einvernehmens.

g) Beteiligung der Naturschutzbehörden (§ 246 Abs. 16)

Nach § 246 Abs. 15 soll in Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, bis zum 31. Dezember 2019 das Einvernehmen der Gemeinde abweichend von § 36 Absatz 2 Satz 2 BauGB (auch in Verbindung mit § 246 Absatz 10 Satz 2 und Absatz 12 Satz 2 BauGB) als erteilt gelten, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

h) Bedeutung der Befristungen (§ 246 Abs. 17)

In § 246 Abs. 17 wird bestimmt, dass sich die § 246 Abs. 8 bis 16 vorgesehene Befristung nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum bezieht, in dem insbesondere im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

i) Inkrafttreten und Überleitung

Die Neuregelung ist gem. Art. 15 des Asylbeschleunigungsgesetzes am Tag nach der Verkündigung in Kraft getreten, also am 24. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722). Für die Überleitung vgl. § 233 BauGB.

3. Eine erste Bewertung

Die intensive Gesetzgebungstätigkeit „um“ die Frage des Zustroms von Flüchtlingen und Asylbewerbern ist eine Reaktion auf die Dringlichkeit der Probleme und der Unsicherheit in der Einschätzung der Problemlösung. Es handelt sich bei der Novelle 2015 nicht nur um ein schnelleres Gesetzgebungsverfahren als schon beim BauGB-Flüchtlingsunterbringungsgesetz 2014, sondern um eines der schnellsten Gesetzgebungsverfahren dieses Umfangs in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt. Es bleibt zu hoffen, dass künftige Novellen des BauGB in den bewährten Verfahren bei auch zeitlich ausreichender Einbindung von Ländern und Verbänden – insbesondere auch unter Durchführung eines Planspiels – durchgeführt werden können. Die üblichen Verfahren und Fristen bei Gesetzgebungsverfahren mögen bei akutem Handlungsdruck zu langwierig erscheinen: im Normalfall jedoch bleibt die intensive Beteiligung der verschiedenen Akteure für eine qualitätvolle Gesetzgebung unverzichtbar, vor allem in der BauGB-Gesetzgebung, die traditionell auf einen breiten Konsens zielt. Abzuwarten ist, ob sich bei der nachhaltigen Integration der Zuwanderer neue Herausforderungen an den Städtebau und seine Rechtsgrundlagen stellen oder ob die Instrumente auch des Besonderen Städtebaurechts – Sanierung, Soziale Stadt, Stadtumbau und Entwicklungsmaßnahme – adäquate Lösungen erlauben.

Das „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20.11.2014“ ist am 26.11.2014 in Kraft getreten

Das „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20.11.2014“ ist am 26.11.2014 in Kraft getreten (BGBL. I S. 1748)

Die neueste Novelle des BauGB

Knapp ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten der letzten Novelle des Baugesetzbuchs aus Anlass einer Regelung zur Windenergienutzung ist am 26.11.2014 das „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ in Kraft getreten . Das Gesetz ging auf einen Antrag des Landes Hamburg, dem sich die Länder Baden-Württemberg und Bremen angeschlossen haben, zurück, den sich der Bundesrat am 19.9.2014 durch einen Beschluss zur Einbringung eines Gesetzesantrags zu Eigen machte (BR-Drs. 419/14(Beschluss); BT-Drs. 18/2752). Die Bundesregierung hat zu dem Gesetzesantrag des Bundesrates am 8.10.2014 Stellung genommen (BT-Drs.18/2752). Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages hat zum Gesetzentwurf des Bundesrates am 3.11.2014 eine öffentliche Anhörung Drucksache durchgeführt . Der federführende Ausschuss behandelte den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 5.11.2014 abschließend . Der Bundestag beschloss das Gesetz am 6.11. 2014 und der der Bundesrat behandelte den Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 7.11.2014 abschließend (hierzu im Einzelnen der Bericht des federführenden Bundestagsausschusses in BT-Drs.18/2752).

Der politische Hintergrund

Die Gesetzesinitiative ist eine Reaktion auf die aktuelle politischen Entwicklungen, Krisen und Kriege, die aktuell zu einer Zunahme von Fluchtbewegungen nach Europa und in die Bundesrepublik Deutschland führen. Der Bericht des federführenden Bundestagsausschusses merkte dazu kritisch an: „Die Regierungen von Bund und Ländern hätten demzufolge rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, um die menschenwürdige Unterbringung einer steigenden Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu gewährleisten. Dies ist nicht geschehen.“ Die Kommunen sind nach den Angaben der Bundesregierung und den Feststellungen von Deutschem Bundestag und Bundesrat gegenwärtig mit der Bewältigung der stark angestiegenen Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylsuchenden nach Deutschland konfrontiert. Aktuelle Zu wanderungszahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lassen vermuten, dass mindestens 200 000 Flüchtlinge in diesem Jahr in die Bundesrepublik Deutschland kommen werden. Die Bereitstellung von Unterkünften für diese Menschen, die oft aus Krisengebieten nach Deutschland kommen, stelle – so wird dies in den Gesetzesmaterialien dargestellt - in Ballungszentren mit ohnehin angespanntem Wohnungsmarkt ein großes Problem dar und dazu wird ausgeführt:

  • Flächen, die zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum für den Wohnungsbau benötigt werden, stehen im Regelfall nicht zur Verfügung.
  • Die zeitnahe Nutzung anderer Flächen scheitere vielfach an planungsrechtlichen Vorschriften.
  • Vor diesem Hintergrund sind gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen eines zeitlich befristeten Maßnahmengesetzes im Bereich des Bauleitplanungsrechts und der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern dringend geboten, mit deren Hilfe die bedarfsgerechte Schaffung von öffentlichen Unterbringungseinrichtungen zeitnah ermöglicht und gesichert wird.

Die Neuregelungen im Baugesetzbuch im Überblick

Bauleitplanung: Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrende und ihrer Unterbringung in der Bauleitplanung – Änderung von § 1 Abs. 6 BauGB Befreiung: Der Bedarf zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrende als ein Allgemeinwohlbelang, der die Erteilung einer Befreiung erfordern kann – Änderung von § 31 BauGB Innenbereich: Nutzungsänderungen zulässigerweise errichteter Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäude in Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen – Änderung von § 34 Abs. 3a BauGB Außenbereich: Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich für Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Bereichen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen soll – Änderung von § 35 Abs. 4 BauGB Gewerbegebiete: Befreiungsmöglichkeit zugunsten vom von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbewerber in Gewerbegebieten nach § 8 BauNVO (auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2 BauGB) – Änderung von § 8 BauNVO